"... So wird also Blumfeld
doch allein bleiben, er hat nicht etwa die Gelüste ei-
ner alten Jungfer, die irgendein untergeordnetes lebendiges
Wesen in ihrer
Nähe haben will, das sie beschützen darf, mit dem sie
zärtlich sein kann, wel-
ches sie immerfort bedienen will, so daß ihr also zu
diesem Zweck eine Katze,
ein Kana rienvogel oder selbst Goldfische genügen."
... Franz Kafka (1915).
"Laß' uns nicht
von Sex reden" lautet ein Titel aus Blumfelds Debutalbum
"Ich
Maschine". U.a. der Tenor dieser ebenso lyrischen
wie martialischen "Zigarette
danach" war es, der das Erscheinen des ersten Blumfeld-Albums
zu einem Pau-
kenschlag in der deutschen Musikszene werden ließ.
Der 'Mythos Blumfeld' war
geboren. Das war 1992, und auch heute noch füllt
keine deutschsprachige Band-
formation das Niemandsland zwischen Traum und Wirklichkeit,
Schmerz und
Sehnsucht, Pathos und nackter Realität mit so eindrucksvollen
musikalischen
Bildern wie Blumfeld. Doch alles von Anfang an. Blumfelds
eigentliche Wurzeln
reichen weiter zurück, als man gemeinhin denkt.
Blumfeld-Kopf Jochen Distel-
meyer war, als die "Ich-Maschne" erschien,
kein unbeschriebenes Blatt: Seit
1987 stand er mit dem zwei Jahre zuvor in Bad Salzufflen
von Bernd Begemann
("Die Antwort") und Michael Girke gegründeten
Label "Fast Weltweit" in engem
Kontakt, erfuhr dort zusammen mit Frank Spilker (später:
"Die Sterne"), Thomas
Wenzel ("Die Bienenjäger", später:
"Die goldenen Zitronen", "Die Sterne")
und
Bernadette Hengst (später: "Die Braut haut
ins Auge") die erste musikalische
Prägung. Distelmeyer heute über sich und seine
musikalischen Anfänge bei
"Fast Weltweit": "Ein Michael Girke /
Bernd Begemann-Imitator auf dem Weg
zu sich selbst." Erst später, nach einer Phase,
in der sich Distelmeyer aus-
schließlich mit Schreiben beschäftigte, sollte
das alles anders werden: Als sich
die Szene zu Beginn der 90er zunehmend in Hamburg sammelte,
war das auch
die die Geburtsstunde der Bandformation "Blumfeld",
der neben Distelmeyer
noch Andre Rattay und Eike Bohlken (beide vorher beim
"Schwarzen Kanal")
angehörten. Und ein neuer musikalisch Weg begann.
Blumfelds Aufbruch mit der "Ich-Maschine",
der 1994 das Album "L' etat et moi"
folgt, lebt von den gesprochen/gesungenen, meist mit
harten disharmonisch-
monotonen Gitarrenriffs einhergehenden Selbstreflektionen
Distelmeyers. Die
Dominanz des Wortes und das aprupte Schwanken zwischen
lyrischer Textform
und geradezu kompromißloser (umgangs)sprachlicher
Direktheit sind im Frühwerk
Blumfelds frappierend, für diejenigen, die Distelmeyer
"Textlastigkeit" vorgewor-
fen haben, schockierend. Andere haben Blumfeld dafür
gefeiert. "Der Krieg findet
statt, doch wer ist der Feind ?" Liebe, Sexualität
und Gesellschaft werden hier zu
Dämonen, zu etwas Fremdem, das in das Ich einzudringen
droht. Ein Kampf, der
mal in einer Spur von Hoffnung, meist aber in existenzieller
Beklemmung endet:
"Von der Unmöglichkeit Nein zu sagen, ohne
sich umzubringen." Das Politische
bleibt bei all der Innerlichkeit nur auf den ersten
Blick außen vor, ist in Wirklich-
keit, wie etwa in "l' etat et moi" deutlich
wird, auch eines der Gespenster. Blum-
felds Widerstand von Innen. Das ist Musik, die man eigentlich
nur alleine hören
kann, dann aber immer und immer wieder. Kunst, deren
Textpart auch ohne musi-
kalisches Drumherum bestand hat und ebenso als Lyrikband
erscheinen könnte.
Alles das hat Blumfeld zu einer Art Gardefigur der "Hamburger
Schule" gemacht
und in der Tat war und ist sein Einfluß auf andere
deutschsprachige Bands groß.
Um so größer war dann
auch der Aufschrei in der Szene, als die "Altmeister"
die
Welt letztes Jahr mit einem Pop-Album überrascht
haben. So zumindest die gängi-
ge Bezeichnung von "Old Nobody". Das hatte
wirklich keiner erwartet. In der Tat
liegen zwischen der "Ich-Maschine"/ "L'
etat et moi" und "Old Nobody" Welten.
Man kann Blumfelds Entwicklung wohl am besten mit dem
Begriff der "Suche
nach einer neuen Harmonie" greifen. Und zwar sowohl
im musikalischen wie auch
im inhaltlichen Sinne. Um denjenigen, die "Old
Nobody" noch nicht kennen, die
Spannung nicht zu nehmen, wollen wir all das hier aber
nicht weiter ausführen.
Nur soviel: Der Himmel ist nun wirklich etwas lichter
geworden, die neue Hinkehr
zu Melodie und Sphäre in "Tausend Tränen
tief" gleich so gigantisch, daß Blumfeld
(auf diesmal andere Weise) wiedermal neue deutsche Musikmaßstäbe
setzen. An
diesem Gesamtbild ändern dann auch die wenigen
etwas "seichteren" in die Track-
liste eingestreuten Titel (Musikpresse: "Von der
Hamburger Schule zur Münchner
Freiheit" etc.) kaum noch etwas. Letztendlich liegt
die Lösung bei Blumfeld wohl
doch wiedermal im Text. In "so lebe ich" heißt
es: "im Selbstversuch / den
Schmerz zu lindern / ein neuer Sound / ein neuer Sinn".
Und
nach "Old Nobody" ?
> am 17.4.01 erscheint die Single "Graue Wolken",
am 21.5. das neue Album. Infos
dazu >
hier
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